Der Paradigmenwechsel von der nachsorgenden, abfallorientierten hin zur vorsorgenden, ökologisch nachhaltigen (ökokonsistenten) Wirtschaftsweise, von der linearen Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft, findet an vielen Stellen des industriellen Systems bereits seit längerem statt.
Mit den umfassenderen Qualitätskonzepten wie dem Total Quality Management (TQM) bzw. dem EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) haben sich unterschiedliche sog. integrierte Managementkonzepte entwickelt, die unter dem Leitkonzept „CSR“ (Corporate Social Responsibility) eine gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens verstehen, weswegen CSR mitunter auch als „Corporate Sustainable Responsibility“ verstanden wird.
Zu den Management-Modellen, die verstärkt die Umwelt- und Klimabelange ins Blickfeld nehmen, gehören beispielsweise das Ressourcen sparende „Umweltmanagement-System EMAS“ als freiwilliges Instrument der Europäischen Union oder der „Deutsche Nachhaltigkeitskodex“ als Leitlinie zum Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie für die Unternehmen.
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Denn es unterstützt Unternehmen dabei, Werte zu erhalten, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig Gewinne zu sichern. Untersuchungen zeigen die Potenziale einer zirkulären Wirtschaft: In Bezug auf den Rohstoff- und Energieverbrauch sind erhebliche Einsparungen im Vergleich zur Produktion derselben Waren im linearen Modell möglich. Mit Reduktionen bei den Material- und Energiekosten kann auch eine deutliche Senkung der Produktpreise erreicht werden.
Zu diesen Fragen bieten viele Institutionen Beratung und Unterstützung für Unternehmen an wie z.B. durch das vom Bundesumweltministerium und dem Bundesumweltamt herausgegebene Internetangebot „ECO DESIGN KIT“ oder das von Fraunhofer Instituten angebotene Konzept der „Ultraeffizienzfabrik“.
Breit angelegte Unterstützungsmaßnahmen gibt es auch vielerorts durch die Wirtschaftsförderung. Im Rahmen der Europäischen Strukturpolitik wurden z.B. entsprechende Förderrichtlinien zur umwelt- und klimagerechten Ausrichtung von Unternehmensstrategien entwickelt. Darüber hinaus gibt es vielfältige Beratungs-angebote der Kammern (IHK und HK) sowie von öffentlichen und privaten Unternehmensberatungsfirmen.
Systematischer Umweltschutz mit speziellen Öko-Managementsystemen spielt für Unternehmen eine zunehmend wichtige Rolle – und zahlt sich für viele bereits jetzt aus. Zu diesem Ergebnis kommen einige aktuelle Umfragen. Andererseits zeigt sich auch, dass die gesetzten Klimaziele dem plakativen Selbstanspruch in der Wirklichkeit oftmals nicht genügen.
„Der Mittelstand kümmert sich zu wenig um den Klimaschutz“ lautet eine Überschrift im Handelsblatt vom Dezember 2019. Es wird berichtet, dass sich rund 4200 Unternehmen mit mehr als 240.000 Mitarbeitern hinter der Initiative „Entrepreneurs for Future (E4F)“ versammeln. Die Ambitionen seien hoch, die Teilnehmerzahlen hingegen enttäuschend. Schließlich wirtschafteten deutschlandweit 3,46 Millionen Mittelständler, die weniger als 50 Millionen Euro umsetzen und weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen. E4F repräsentiere gerade einmal ein Promille des deutschen Mittelstands. Kurzum, mit dem Klimaschutz fremdeln überraschend viele mittelständische Unternehmen …“
Trotz vieler innovativer Einzelinitiativen in Wirtschaft und Gesellschaft wird sich das Ziel der Klimaneutralität - und dabei möglichst gleichzeitig das erweiterte Ziel der Ökokonsistenz – bis zum Jahr 2050 nicht erreichen lassen, wenn es keine nachdrückliche politische Konzertierung über Gesetze und Verordnungen, über Anreizsysteme, Forschungs- und Entwicklungsprogramme, Pilot- und Demonstrations-projekte sowie breit angelegte sowie finanziell großzügig ausgestattete Förderprogramme gibt.
Dazu werden das nationale Klimaschutzgesetz und vor allem der Europäische Green Deal den erforderlichen Schub erzeugen.
Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft - European Green Deal
Einige der Ansätze des Aktionsplans bestehen in Auflagen, die von allen Herstellern unabhängig voneinander sozusagen als „additive“ Lösungsansätze umsetzbar sind. Andere beziehen sich darauf, dass Hersteller allein oder durch Vernetzung mit anderen Unternehmen Lösungsansätze verfolgen können und sollen, die eher einen selektiven, „multiplikativen“ bzw. „potenzierenden“ Effekt auf die Produktnachhaltigkeit haben.
Auflagen, die geeignet sind, die Kreislauffähigkeit von Produkten und der Produktion eher in selektiver Form zu bewerkstelligen, sind die z.B. folgenden:
Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft
European Green Deal
Bereits in der Einleitung wird die Tragweite des Aktionsplanes unterstrichen:
„Es gibt nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird der weltweite Verbrauch ein Niveau erreichen, als ob wir drei davon hätten. Der weltweite Verbrauch von Materialien wie Biomasse, fossilen Brenn-stoffen, Metallen und Mineralien dürfte sich in den nächsten vierzig Jahren verdop-peln, während das jährliche Abfallauf-kommen bis 2050 voraussichtlich um 70 % steigen wird. …
Da die gesamten Treibhausgasemissionen zur Hälfte und Biodiversitätsverlust und Wasserstress zu mehr als 90 % auf die Gewinnung und Verarbeitung von Res-sourcen zurückzuführen sind, wurde mit dem europäischen Grünen Deal eine konzertierte Strategie für eine klima-neutrale, ressourceneffiziente und wett-bewerbsfähige Wirtschaft ins Leben gerufen. Die Ausweitung der Kreislauf-wirtschaft von den Vorreitern auf die etablierten Wirtschaftsakteure wird ent-scheidend dazu beitragen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, das Wirt-schaftswachstum von der Ressourcen-nutzung zu entkoppeln und zugleich die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern und niemanden zurückzulassen.
Für dieses ehrgeizige Ziel muss die EU den Übergang zu einem Modell des regene-rativen Wachstums, das dem Planeten mehr zurückgibt als es ihm nimmt, beschleunigen, dafür sorgen, dass ihr Ressourcenverbrauch innerhalb der Belastungsgrenzen des Planeten bleibt, und sich deshalb bemühen, ihren Fuß-abdruck im Hinblick auf den Verbrauch zu senken und den Anteil kreislauforientiert verwendeter Materialien in den kommen-den zehn Jahren zu verdoppeln. …
Der Plan enthält ein Paket miteinander verknüpfter Initiativen, die darauf abzielen, einen starken und kohärenten Rahmen für die Produktpolitik zu schaffen, durch den nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zur Norm werden, und die Verbrauchsmuster so zu verän-dern, dass von vornherein kein Abfall erzeugt wird. …
Um Produkte für eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und kreislauf-orientierte Wirtschaft geeignet zu machen‚ Abfälle zu verringern und sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeitsleistung von Vorreitern schrittweise zur Norm wird, wird die Kommission eine Rechtsetzungs-initiative für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen.“
Unterstützung
für kleine und mittlere Unternehmen
Unter Stichworten wie Nachhaltige Unter-nehmensberatung, Unternehmensopti-mierung, Kreislaufführung und Kreis-laufwirtschaft, Ressourceneffizienz und ähnlichen Begriffen lassen sich im Netz viele Institutionen und Beratungs-Dienst-leister finden, die Beratung und Unter-stützung für einen nachhaltigen Unter-nehmenswandel anbieten.
Die Implementierung einer Kreislauf-wirtschaft in unser Wirtschaftssystem gemäß des Europäischen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft erfordert in besonderer Weise die Expertise der Entsorgungswirtschaft in allen Bereichen von der Erfassung über die Behandlung bis zur Verwertung von Abfällen als (Sekundär-) Rohstoffe.
Beratung und Expertise für Unternehmen im Internet
Zur flächendeckenden Realisierung und Durchsetzung der Kreislauffähigkeit von Produkten und der Produktion bedarf es einer stärkeren Verzahnung von Herstellern bzw. der Produktionswirtschaft mit der Entsorgungswirtschaft. Großunternehmen sind sicherlich in der Lage, eine betriebseigene Entsorgungswirtschaft zu implementieren, d.h. die Kreislaufwirtschaft in ihr Geschäftsmodell zu integrieren.
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wäre an dieser Stelle eine verstärkte Kooperation mit Recyclern angesagt, bzw. die Recyclingfirmen müssten ihr Geschäftsmodell im Sinne einer Kooperation „up- und downstream“ derart erweitern, dass sie verstärkt Dienstleister für KMU werden (können). Auf diese Weise könnten deutlich mehr als bisher „Verwertungsnetzwerke“ bzw. industrielle Symbiosen (Hersteller-Symbiosen) entstehen, die das Prinzip der Kreislaufwirtschaft in hinreichend selektiver Weise verwirklichen.
Zweckmäßig sind sicherlich auch Kooperationen mit anderen Unternehmen im urbanen Umfeld bzw. in der Region im Sinne von Entwicklungspartnerschaften zur gegenseitigen Unterstützung beim nachhaltigen Unternehmenswandel.
Beratungs- und Unterstützungsangebote für den Einstieg in die „große Transformation“ - den Umbau von Wirtschaft, Technik und Gesellschaft von der derzeitigen sozio-ökonomisch ausgerichteten linearen Wirtschafts- und Lebensweise hin zu einem zukünftig zunehmend öko-sozial gestalteten Wirtschafts- und Lebensstil - gibt es von vielen Stellen. Der von der EU vorgelegte Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft bietet mit seiner zukunftsorientierten Agenda für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa, das gemeinsam mit Wirtschaftsakteuren, Verbrauchern, Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen der Zivilgesellschaft geschaffen wird, einen ersten konkreten und verbindlichen Rahmen für diesen Einstieg.
Das folgende Beispiel für ein ganzheitliches, integratives Konzept der (Ultra-) Effizienzsteigerung der industriellen Produktion, das Umweltbelastungen vermeidet bzw. minimiert und zugleich Zielkonflikte zu löst, um die zukünftige industrielle Produktion mit dem urbanen Leben in Einklang zu bringen, zeigt diesen Weg auf.
Weltweit erstes stadtnahes, ultraeffizientes Industriegebiet
Ohne Abfall, Abwasser und Abluft: Das Konzept für das weltweit erste stadtnahe, ultraeffiziente Gewerbegebiet steht. Wissenschaftler der drei Fraunhofer-Institute IPA, IAO und IGB haben es gemeinsam mit der Stadt Rheinfelden (Baden) und den ansässigen Unternehmen erarbeitet. Es sieht vor, alternative Energiequellen anzuzapfen, vorhandene Synergien besser zu nutzen und Kreisläufe zu schließen. Darüber wird berichtet im Kundenmagazin „interaktiv“ des Fraunhofer IPA, Ausgabe 1.2020 sowie in „Technology Review“ Heft 10/2020.
In einem vom Land Baden-Württemberg geförderten Projekt wollen die Fraunhofer Institute das Konzept der Ultraeffizienzfabrik auf ganze Gewerbegebiete übertragen, sodass eine Art „industrielles Ökosystem“ entsteht, in dem des einen Abfall des anderen Rohstoff ist. Die Vision ist ein Gewerbegebiet ohne Abfall, Abwasser und Abluft. Die Ressourcen Energie und Material sollen so zwischen den Unternehmen fließen, dass am Ende möglichst wenig davon ungenutzt übrig bleibt. Darüber hinaus sollen soziale Einrichtungen und andere Infrastrukturen ebenfalls gemeinsam genutzt werden wie etwa Kantinen und Kindergärten. Beispielsweise wird auch über Kooperationen in der Logistik nachgedacht. Bisher hat jedes Unternehmen allein seinen LkW- und Bahnverkehr organisiert. Sogar der gewerblich bedingte PkW-Verkehr soll in das Effizienzprojekt einbezogen werden, indem eine digitale Plattform für die Mitfahrersuche aufgebaut wird.
*) Kundenmagazin des Fraunhofer IPA interaktiv, Heft 1.2020, S. 21