Unternehmensleitbilder und Führungskonzepte sowie die zugrunde liegenden Werte, Normen und Einstellungen haben sich in den vergangenen mehr als hundert Jahren in den Unternehmen deutlich verändert. Seit der Etablierung des funktionalen Managements durch F.W. Taylor im Jahre 1911 (1913 erschien dessen Buch „Die Grundsätze der wissenschaftlichen Betriebsführung“ in Deutschland) gab es viele Veränderungen rund um das Thema Qualität der Güterproduktion und der Erstellung von Dienstleistungen. Diese Veränderungen betrafen den Produktionsprozess, die Struktur der Unternehmen, die Situation des Marktes ebenso wie die der Gesellschaft, den technischen Entwicklungsstand ebenso wie den wissenschaftlichen Fortschritt.
An erster Stelle aller Managementkonzepte steht allerdings (bislang fast immer) das betriebs- bzw. finanzwirtschaftliche Unternehmensziel, dass das Unternehmen im globalen Wettbewerb mit anderen Unternehmen bestehen und wachsen muss. Diesem Ziel sind alle anderen Zieldimensionen untergeordnet, denn ohne das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens können alle anderen Ziele auch nicht realisiert werden. Unternehmen werden letztendlich anhand der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie leistungsbezogener Kennzahlen ausschließlich betriebswirt-schaftlich geführt. Damit wird die Unternehmenskultur maßgeblich bestimmt, auch wenn die finanzwirtschaftliche Dominanz zunehmend in weitergehende, moderne und innovative Leitkonzepte und Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen und Bewährungsproben eingebettet ist.
Wenn die Unternehmensleitbilder und die Unternehmensstrategien von vornherein so ausgerichtet sind, dass durch die Produktionsprozesse und die hergestellten Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt – d.h. insbesondere auch auf das Klima – ausgehen (können), dann treten auch im einzelnen nicht die schädlichen Auswirkungen auf, die quasi nachsorgend verhindert bzw. behoben werden müssen. Um dieses zu erreichen muss eine an ökologischer Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensphilosophie angenommen und auf breiter Ebene durch die Unternehmens-Führungskräfte vertreten und konsequent umgesetzt werden.
Zu den Management-Modellen zur Produktverantwortung, die verstärkt die Umwelt- und Klimabelange ins Blickfeld nehmen, gehören beispielsweise das Cradle-to-Cradle Konzept oder das Konzept der Ultraeffizienzfabrik, die (freiwillige) EMAS-Verordnung der EU als „grüne Säule des CSR“ oder der „Deutsche Nachhaltigkeitskodex“ als Leitlinie zum Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens.
Corporate Climate Responsibility
In der Grafik wird diese Entwicklung anschaulich dargestellt. Infolge der Eskalation der Umweltprobleme erscheint eine Erweiterung und Konkretisierung der Corporate Sustainable Responsibility hin zum Klimaschutz dringend geboten. Es geht dabei vor allem um eine umgehende Dekarbonisierung der Wirtschaft auf allen Ebenen von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und die Logistik bis hin zum Konsum.
Management-Konzepte
fokussieren auf Wettbewerbsfähigkeit, Produktqualität, Kundenorientierung und kontinuierliche Prozessverbesserung, Mitarbeiter*innen-Entwicklung, Wissens- und Innovationsausrichtung und zuneh-mend auch auf soziale Verantwortung von Unternehmen.
In der historischen Entwicklung begann sich mit Fragen der Qualitätskontrolle bzw. der Qualitätsprüfung in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eine neue Sichtweise herauszubilden. Ab den 1960-er Jahren erfasste die Qualitätssteuerung das gesamte Unternehmen und es entstanden umfassendere Qualitätskonzepte wie das Total Quality Management (TQM) mit „Qualität“ als oberstem Unternehmensziel. Die Balanced Scorecard (BSC) beruht auf vier Qualitätsdimensionen bzw. das EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) auf neun ganzheitlichen Qualitätskriterien zur Ausrichtung unter-nehmerischen Handelns im Hinblick auf die Führung und die Mitarbeiter*innen des Unternehmens, die Kunden und Lieferan-ten sowie auf die Gesellschaft mit ihren Ansprüchen an den sozialen Ausgleich, an Gesundheit und Umweltqualität. Hieran haben sich unterschiedliche sog. inte-grierte Managementkonzepte entwickelt, die unter dem Leitkonzept „Corporate Social Responsibility“ („CSR“ ) eine gesell-schaftliche Verantwortung von Unter-nehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens verstehen.
Allerdings müsste neben der Dekarbonisierung der Produktionsketten auch gleichzeitig die Öko-Konsistenz (Cradle-to-Cradle-Prozessketten, Ultraeffizienz-Konzept) als Produktionsprinzip realisiert werden. Die bestehenden Konzepte zum CSR – Corporate Social Responsibility – sollten zur Corporate Sustainable Responsibility und besonders dringend zur Corporate Climate Responsibility (CCR) weiter entwickelt werden.
Diese Transformation des Produktionssystems stellt sicherlich in Form eines Change Managements eine Mammutaufgabe vor allem für kleine und mittlere Unternehmen dar. Die für die Transformation erforderlichen Technologie-Innovationen werden nur dann realisiert werden können, wenn es das Unternehmensleitbild, die Management-Konzeption des Unternehmens vorgibt und es müssen dann alle Mitarbeiter*innen sowie die Partner in den verbundenen Wertschöpfungsketten eingebunden und mitgenommen werden durch eine begleitende soziale Innovationsmaßnahme.
Die Schaffung eines allgemeinen Bewusstseins für die Gleichwertigkeit der finanziellen und der ökologischen Dimension sowohl in den Unternehmen bzw. in der Produktion als auch im Konsum stellt(e) sicherlich die wichtigste soziale Innovation des 21. Jahr-hunderts dar!
Ebenso wie ein Unternehmen kein neues Projekt durchführen wird, wenn sich dieses finanziell nicht „rechnet“, dürfte dann dieses neue Projekt auch nicht in Angriff genommen werden, wenn es eine negative Umwelt- oder Klimabilanz gegenüber dem bisherigen Status erzielte, d.h. ein neues Projekt müsste sich sowohl finanziell als auch ökologisch „rechnen“.
Solche weitreichenden Veränderungen, strategische Wendepunkte, erfordern mehr als nur eine Strategieanpassung in einem Unternehmen. Die Veränderung muss zwar von den Führungskräften ausgehen, kann aber nur mit allen Mitarbeiter*ìnnen gemeinsam gelingen. Es sind aber nicht nur die Mitarbeiter*innen, die Veränderungen oft nicht wollen. Auch viele Führungskräfte erkennen nicht, wann Veränderungen notwendig sind. Sie schieben solche Entscheidungen vor sich her. Erst wenn die Krisensignale für das Unternehmen stark genug sind, wird der Wandel angestoßen. Die Krise engt den Handlungsspielraum dann aber stark ein. Es bliebe dann weniger Zeit für das Change-Management, für die soziale Innovation im Unternehmen.
Analog zum Change Management bei fundamentalen Veränderungsprozessen in Unternehmen muss es auch für fundamentale Veränderungen in der Gesellschaft ein „Gesellschaftspolitisches Change-Management“ zu einer „Öko-Sozialen Marktwirtschaft“ geben. Mit dem neuen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ der Europäischen Union („European Green Deal“) wird „eine zukunftsorientierte Agenda für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa, das gemeinsam mit Wirtschaftsakteuren, Verbrauchern, Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen der Zivilgesellschaft geschaffen wird“, geboten.
Die Herstellung der Gleichrangigkeit von ökologischer und ökonomischer Wertschöpfung als Grundbedingung für Produktion und Konsum in der Gesellschaft bedeutet einen wesentlichen Schritt zurück zur Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft und zur Zukunftsfestigkeit der sozialen Dimension. „Für dieses ehrgeizige Ziel muss die EU den Übergang zu einem Modell des regenerativen Wachstums, das dem Planeten mehr zurückgibt als es ihm nimmt, beschleunigen, dafür sorgen, dass ihr Ressourcenverbrauch innerhalb der Belastungsgrenzen des Planeten bleibt …“