Ressourceneffizienz allein reicht nicht aus -
Nachhaltige Zukunft nur durch Wandel des Produktionssystems
Die bislang weitest gehende Reparaturmaßnahme des vorsorgenden Umweltschutzes ist die Kreislaufwirtschaft. Diese stellt bereits einen ersten Schritt hin zu einer ökologischen Dimension - der Tragfähigkeit des Umweltraumes - dar, in dem der Effizienzgedanke in den Mittelpunkt gestellt wird – nämlich die Ressourceneffizienz. Damit sollen das Wirtschaftswachstum und der Ressourcenverbrauch entkoppelt werden.
Die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch entspricht dem Wunsch: Die Wirtschaft könnte auch in einer endlichen Welt unendlich wachsen. Eine absolute Entkopplung sei daher notwendig, um Wirtschaftswachstum innerhalb der Tragfähigkeit des Planeten zu ermöglichen. Ersteres ist grundsätzlich nicht möglich und das Zweite lässt sich nur in engen Grenzen realisieren, da eine „absolute“ Entkopplung in technischen Prozessen ebenfalls nicht möglich ist.
Alle Erhebungen zum Ressourcenverbrauch zeigen bislang aber: die „Schere“ zwischen Ressourcenverbrauch und Materialintensität (Ressourceneffizienz) geht immer weiter auseinander: Trotz kontinuierlich verbesserter Ressourceneffizienz steigt der globale Ressourcenverbrauch. Derzeit gibt es keinen einzigen empirischen Beleg für eine solche Entkopplung auf globaler Ebene – das gilt für Rohstoffe, Energie, Wasser, Treibhausgase, Böden und Land, Wasserverschmutzung und Biodiversitätsverluste.
Die aktuelle Datenlage zeigt sogar eher ein weiteres (nichtlineares) Wachstum der Primärressourcenentnahme sowie von Abfallmengen und von Emissionen trotz der durchaus erzielten Steigerung der Ressourceneffizienz durch einzelne Technologie-Innovationen.
Planetare Belastbarkeitsgrenzen durch Ressourcenverbrauch
Vier von neun planetaren Grenzen sind durch den Einfluss des Menschen bereits überschritten: Klimawandel, Biodiversität, Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe
Zwei dieser Grenzen, nämlich Klimawandel und Artensterben, sind von entscheidender Bedeutung – werden sie deutlich überschritten, könnte dies das Erdsystem in einen neuen Zustand versetzen.
Die derzeitige Situation ist allerdings gekennzeichnet durch eine unüberschaubar große Zahl voneinander unabhängiger und global agierender Produktionsbetriebe (Hersteller) mit ähnlichen oder ganz unterschiedlichen Produkten, die den unterschiedlichsten Produktionsnormen unterliegen, und die im Wettbewerb zueinander die unterschied-lichsten, als Betriebsgeheimnis geschützten, Ressourcen und Technologien verwenden.
Die Aufgabe, daraus eine Kreislaufwirtschaft zu generieren, obliegt derzeit fast ausschließlich der vom Hersteller unabhängigen Abfallwirtschaft, die für die „doppelte Entkopplung“ zu sorgen hat. Diese Entkopplung kann sie allerdings nicht bewerkstelligen, da sie nur im Nachhinein auf die Abfallströme reagieren kann und zudem ohne vollständige Information über deren Mengen und Zusammensetzungen ist.
Die Lösung kann nur darin bestehen, dass die einmal gewonnene Ressourcen möglichst für immer (d.h. praktisch: solange wie möglich, beginnend als Sekundärressourcen) im Produktionskreislauf gehalten werden. Die einmal gewonnenen Ressourcen werden dann immer wieder zum Ausgangsrohstoff für jeden weiteren Produktionszyklus, auf den die Kriterien für Ressourcen- bzw. Materialeffizienz wiederum zutreffen.
Das Produktionssystem muss also in eine Kreislaufwirtschaft mit immer mehr zu schließenden Einzel-Kreisläufen transformiert werden. D.h.: Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft muss „selektiv“ realisiert werden, es müsste auf jedes einzelne Produkt, auf miteinander verbundene Produktgruppen und auf produktübergreifende, verbundene Produktionsprozessketten (Kuppelproduktion) bezogen und angewandt werden.
Ein derzeit allgegenwärtiger, produktionsbegleitender „Abfallstoff“ ist das Treibhausgas CO2, der in allen Produktionsprozessen unter Einsatz fossiler oder biogener Energieträger auftritt. CO2 ist das wichtigste Treibhausgas neben den anderen Treibhausgasen Wasserdampf, Methan, Lachgas (Distickstoffoxid) und fluorierten Kohlenwasserstoffen. Aus diesem Grunde wird oftmals vom CO2-Äquivalent (CO2e) gesprochen, auch wenn es sich speziell nur um Kohlenstoffdioxid (CO2) handelt.
Während „klassische“ Luftschadstoffe (Luftverschmutzung) auf unterschiedliche Weise direkt auf die Umwelt einwirken und oberhalb bestimmter Konzentrationen nicht nur schädlich für Mensch und Tier sind, sondern Pflanzen, Gewässer, Böden und sogar Bauwerke und Materialien auch direkt angreifen, ist Kohlenstoffdioxid ein natürlicher Bestandteil der Luft, der daher bislang nicht zu den Luftschadstoffen zählt. CO2e wirkt auch nicht direkt schädlich (bei den derzeitigen Konzentrationen) auf Menschen und Umwelt, sondern indirekt über die Veränderung der klimatischen Rahmenbedingungen der Ökosphäre.
Klimaschutz gehört zur Produktverantwortung
Kohlenstoffdioxid und andere Treibhausgase (CO2e) sind Abfallstoff und gehören daher ins Kreislaufwirtschaftsgesetz! CO2e ist aus den Produktionsketten als Wertstoff zu recyclieren und muss aus der Atmosphäre entnommen werden im Sinne einer Altlastensanierung.
Die Zielvorgabe gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen lautet:
Bis 2050 müssen die Treibhausgas-Emissionen auf Netto Null abgesenkt werden, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad bis maximal 2 Grad zu begrenzen.
Bislang geht der Trend in die andere Richtung. Um diese Ziele zu erreichen, ist es wenig realistisch, ausschließlich auf die CO2-Emissionsminderung durch die Ausweitung des Einsatzes erneuerbarer Energien zu setzen, denn die Vermeidung und Reduzierung von CO2-Emissionen wird nicht rechtzeitig im erforderlichen Maße zu realisieren sein. Zusätzlich muss der atmosphärische CO2-Gehalt reduziert werden durch direkte CO2-Abscheidung aus den industriellen Entstehungsprozessen (Carbon Recycling) bzw. durch direkte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (CO2-Altlastensanierung).
Insofern stellt CO2-Recycling (CCU – Carbon Capture and Utilisation) einen relevanten Sachverhalt für das Kreislaufwirtschaftsgesetz dar. Damit könnte CO2 analog zur natürlichen Photosynthese im Sinne des Cradle-to-Cradle- oder Ultraeffizienz-Prinzips in den technischen Kreislauf zurück geführt werden!
Benötigt wird demgemäß ein wirtschafts- und technologiepolitischer Strategiewechsel der nicht allein auf die Effizienzsteigerung von singulären Prozessen fokussiert, sondern vor allem auf Innovationen zur Minimierung von Emissionen und Abfall, selektiv in einzelbetrieblichen Prozessketten in der Fabrik bzw. in abgeschlossenen Produktions-ketten innerhalb von Wertschöpfungs- und Lieferketten.
Produktverantwortung
als Schlüssel zu einem
ökologischen
Paradigmenwechsel im industriellen Produktionssystem
Die Berufung auf die Produktverant-wortung hat bislang im Wesentlichen den Zweck, Hersteller von Produkten zu größerer Sorgfalt in Produktdesign und in der Produktion selbst anzuhalten, um vor allem Schäden zu vermeiden, die bei der Nutzung und Entsorgung der Produkte als Abfall entstehen könnten.
Produktverantwortung wird im Kreislauf-wirtschaftsgesetz definiert – also abfall-rechtlich vom Ende des Produktlebens-zyklus her. Ressourceneffizienz ist Teil der Produktverantwortung i. S. der Verpflich-tung von Herstellern zur Vermeidung, Verminderung und Verwertung (Recycling) von Abfällen.
Die Erhöhung der Ressourceneffizienz, die Minimierung des für die jeweiligen Produkte erforderlichen Ressourcenein-satzes, ist eine notwendige Voraussetzung für den Übergang zu einer nachhaltigen Produktion. Sie ist aber nicht hinreichend, da mit jedem neuen Produkt der Ressour-cenverbrauch – wenn auch auf niedrigerem Niveau – wächst.
Der Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, die einmal gewonnenen Ressourcen immer wieder zu verwenden, und zwar in einem geschlossenen Kreislauf isoliert von der Umwelt, sodass „keine“ Abfallstoffe entstehen bzw. nicht in die Umwelt gelangen. Solche Ansätze zur Öko-konsistenz bestehen im Cradle-to-Cradle-Konzept, einer durchgängigen und konsequenten ökologischen Kreislauf-wirtschaft. „Cradle-to-Cradle-Produkte“ sind demnach solche, die entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als „tech-nische Nährstoffe“ kontinuierlich in tech-nischen Kreisläufen gehalten werden können.
Ähnlich ist die Ultraeffizienzfabrik des Fraunhofer-IPA konzipiert. Das Projekt Ultraeffizienzfabrik forscht daran, wie produzierende Unternehmen wirtschaftlich und nachhaltig wachsen können ohne dabei mehr Ressourcen zu verbrauchen. So werden auch Abfall, Abluft und Abwasser weitestgehend eliminiert. Eine ultraeffiziente Fabrik soll aber nicht nur negative Effekte einer Produktion mini-mieren. Vielmehr soll die Fabrik einen positiven Beitrag leisten, indem sie eine Symbiose mit dem urbanen Umfeld eingeht und bspw. überschüssige Energie an Haushalte zurück gibt.
Die Umstellung der Produktionsketten auf solche ökoeffektiven Konzepte stellt für die Industrie eine umwälzende Innovation dar, die weitgehend durch Technologie-Innovationen vorangetrieben werden muss, aber einen Bewusstseinswandel in der Unternehmensphilosophie voraussetzt. Für real existierende Unternehmensleitbilder und Unternehmensstrategien stellt dies eine grundsätzliche, soziale Innovation dar.
In ein solches ökoeffektives Produktions-kreislauf-Konzept muss dann folgerichtig und zwangsläufig auch die Dekarboni-sierung des Produktionsprozesses einbe-zogen werden.
Der Paradigmenwechsel von der nach-sorgenden, abfallorientierten Produkt-verantwortung hin zur vorsorgenden, öko-effektiven Produktverantwortung, findet an vielen Stellen des industriellen Systems tatsächlich bereits statt, ohne mit der Kategorie „Produktverantwortung“ verbun-den zu sein. Diese Verbindung könnte möglicherweise einen begrifflichen Hebel darstellen, um im Rahmen bestehender Corporate Social/Sustainable Respon-sibility (CSR) Ansätze zu einer sozialen Innovation hin zur öko-sozialen Unterneh-mensverantwortung beizutragen.
Die Produktverantwortung muss sich in diesem Sinne der „Kreislauffähigkeit“ als Leitprinzip für die nachhaltige Produktion von Gütern und Dienstleistungen erweisen und bewähren. Auf diese Weise gelangt man dann von der Ressourceneffizienz zur Ressourcen- und Produktionskonsistenz mit der Ressourcen- und Produktions-suffizienz als Rahmenbedingung.
Definitorische Umschreibung „Produktverantwortung“
Produktverantwortung beschreibt das Ziel, dass von Gütern und Dienstleistungen und durch deren Herstellungsprozesse sowie durch deren Nutzung, verantwortet von Herstellern und Nutzern, keine schädlichen Auswirkungen auf Menschen sowie auf Natur und Umwelt ausgehen.
Zur Wahrnehmung der Produktverant-wortung muss sichergestellt werden, dass alle Phasen der Kreislaufführung der Produktion
vollständig durchlaufen werden.
Auf diese Weise muss damit auch sicher-gestellt werden, dass einmal eingesetzte Primärressourcen
In diesem Sinne stellt die Produktverantwortung die Abfallhierarchie nach EU Rahmenrichtlinie vom „Kopf auf die Füße“.
„Vermeidung“ bedeutet in diesem Zusammenhang Vermeidung von Schädigungen von Natur und Umwelt infolge der Kreislaufführung der Produktionsprozesse.
Langlebigkeit, Reparierbarkeit sowie „Nutzen statt Besitzen“ werden der Kategorie „Langlebigkeit - Lange Nutzungsdauer“ zugeordnet, mit der allenfalls eine „Vermeidung auf Zeit“ erreicht wird, während der sich die „Entsorgungsfrage“ nicht stellt. Durch eine Steigerung der Langlebigkeit der Produkte muss deren in Nutzung befindlicher Bestand in weitaus geringerem Maße erneuert werden, d.h. es werden kurzfristige Ersatzbeschaffungen vermieden.
Die „Wiederverwendung“ von Produkten umfasst weiterhin die Weiternutzung von „Gebrauchtprodukten“ ggf. nach einem „Refurbishing“, was letztendlich eine Erweiterung der „Langlebigkeit“ darstellt.
Die Verwertung von Grundmaterialien stellt eine der wohl sinnvollsten Varianten des Recyclings dar. Dies ist die direkte Weiterverarbeitung des weitgehend unveränderten Materials (oder der Produktbestandteile). Bei dieser Art des Recyclings werden im Produktkreislauf alle Umweltlasten eingespart, die mit der sonst notwendigen primären Herstellung der Grundmaterialien bzw. mit der Aufbereitung von Abfällen zu entsprechendem Sekundärressourcen einhergehen würden.
Unter Recycling soll die Aufbereitung hochwertiger Recyclate aus den zu verwertenden „Sekundärressourcen“ aus „Verbundwerkstoffen“ verstanden sein, die als vollwertige Grundstoffe/Grundmaterialien wieder in die Produktionskreisläufe eingebracht werden können.
Aus der „Abfallhierarchie“ wird dann ein Kreislauf zwischen Hersteller und Nutzer, der immer die gleichen Phasen durchläuft. Vom Hersteller zum Nutzer und in umgekehrter Richtung vom Nutzer zum Hersteller werden die Phasen von der kreislaufgeführten Produktion unter Einsatz von hochwertigen Recyclaten und von Grundmaterialien, die aus den Produkten am Ende ihrer Langlebigkeit (zurück)gewonnen werden, durchlaufen.